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Mumps – eine vergessene Erkrankung?

Prevent – Protect – Vaccinate

 

Mumps – eine vergessene Erkrankung?

Prof.in Dr.in Annette Mankertz, Nationales Referenzzentrum für MMR,

Robert- Koch-Institut, Berlin

 

Mumps äußert sich in der Regel durch Fieber und Parotitis“, so Prof.in Dr.in Annette Mankertz, Nationales Referenzzentrum für MMR, Robert- Koch-Institut, Berlin. „Eine Reihe von Komplikationen ist beschrieben. Dazu gehören Orchitis, Oophoritis, Pankreatitis, aseptische Meningitis und Innenohr-Ertaubung.“ Die Erkrankung ist impfpräventabel – verabreicht wird die Masern/Mumps/Röteln-Kombinationsimpfung (MMR). Laut österreichischem Impfplan 2018 [21] soll die MMR-Impfung nach dem vollendeten neunten Lebensmonat zum ersten Mal und drei Monate später ein zweites Mal gegeben werden. Vor Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen sollte unbedingt gegen MMR geimpft werden. Erfolgt die Erstimpfung nach dem vollendeten Lebensjahr, so sollte bis zur zweiten Impfung ein Mindestabstand von vier Wochen eingehalten werden. In Ausbruchssituationen soll (abweichend von der Fachinformation) bereits ab dem vollendeten sechsten Lebensmonat geimpft werden. In diesem Fall sollte eine zweite Impfung im Alter von elf bis 14 Monaten, eine dritte im Alter von 15 bis 23 Monaten erfolgen. Bei Schuleintritt bzw. mit dem vollendeten zwölften Lebensjahr sollten der MMR-Status kontrolliert und gegebenenfalls fehlende Impfungen nachgeholt werden.

Das Mumpsvirus

Es handelt sich um ein Mitglied der Familie der Paramyxoviridae, dessen einzelsträngige RNA von einem Hüllprotein (M) umgeben ist. Gegen das M-Protein werden, ebenso wie gegen ein Oberflächenprotein (HN) IgMAntikörper gebildet, gegen das HN-Protein  zusätzlich auch neutralisierende Antikörper [22]. Hochvariabel ist der Bereich der Virus-RNA, der für das „Small Hydrophobic Protein“ (SH) kodiert. Deswegen können durch Sequenzierung dieses Bereichs Mumpsviren genotypisiert werden. Bei SH handelt es sich nicht um ein Strukturprotein, sondern um einen Virulenzfaktor [22]. Die Kontagiosität von Mumps liegt etwa im Mittelfeld – ein Erkrankter steckt vier bis maximal sieben weitere Personen an [23].

 

Durchimpfungsraten

In Deutschland sind nach Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchungen in 2015, knapp 97% der Schulanfänger einmal und 93% zweimal gegen Mumps geimpft. Anders sieht es jedoch bei den Erwachsenen aus. Die höchsten Seronegativitätsraten in einem Erwachsenensurvey haben die Geburtsjahrgänge 1975–1979 mit ca. 20%; auch die Jahrgänge 1980 bis 1993 sind in 10–15% seronegativ. Bestimmte soziodemographische, mit
Seronegativität assoziierte Faktoren fanden sich nicht.

 

Diagnostik und Impfversagen

Ein sekundäres Impfversagen ist bei Mumps möglich, wie Daten aus dem Nationalen Referenzzentrum des RKI zeigen. So waren von 51 serologisch oder durch PCR detektierten Mumpsfällen 43 geimpft (27 einmal, 16 zweimal), wobei die Impfung jeweils mehrere Jahre vor dem Auftreten klinischer Symptome stattgefunden hat. Von 45 PCR-positiven Fällen war der Großteil IgM-negativ (oder grenzwertig) [24]. „Deshalb ist es empfehlenswert, sich diagnostisch nicht allein auf die Serologie zu verlassen, sondern bei Mumpsverdacht unbedingt auch eine PCR durchzuführen“, so Mankertz. Bemerkenswert war auch, dass das Mumpsvirus selbst bei IgG-positiven Patienten angezüchtet werden konnte. Von 534 Einsendungen, die das NRZ zwischen 2008 und 2013 erhielt, wurden 216 Fälle (40%) bestätigt. Zwei Drittel der bestätigten Erkrankungen fanden in der Altersgruppe zwischen 15 und 29 Jahren statt, 69% waren geimpft [24]. Eine Woche nach Symptombeginn waren die IgM-Antikörper überwiegend negativ jedoch 74% der PCRs aus Rachenabstrich bzw. oraler Flüssigkeit positiv. In Woche 2 nach Symptombeginn waren IgM bei 67% der Ungeimpften, aber nur bei 30% der Geimpften positiv [24]. „Das im Kontext von inzwischen hohen Seroprävalenzraten zeigt deutlich, dass IgM nicht der ideale Marker sind, um eine Mumpserkrankung zu bestätigen“, betonte Mankertz.

Fazit Labordiagnose:

  • (Re)Infektionen betreffen überwiegend seropositive (80–95%) junge Erwachsene.

  • Die IgM-Serologie bei Serumnarbe ist nicht zuverlässig.

  • Die PCR identifiziert nur die frühen Fälle.

  • Es gibt eine Untererfassung von Mumpsfällen.

  • Die Kombination beider Methoden bringt die besten Ergebnisse.

  • Bei Patienten mit Verdacht auf Mumps sollten der zeitliche Ablauf und der Impfstatus beachtet werden.

  • Die neutralisierende Kapazität der IgG-Antikörper ist fraglich, da das Virus von IgG-positiven Patienten angezüchtet werden konnte.

Antikörper und Neutralisation

Verschiedene Studien zeigen, dass Mumpsausbrüche bei geimpften Personen zu einem hohen Prozentsatz auf Infektionen mit dem Genotyp G des Mumpsvirus zurückzuführen sind [5]. „Man kann also fragen, wie gut seropositive Personen gegen eine Mumps-Reinfektion geschützt sind“, erläuterte die Expertin.

Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es Unterschiede in der Aussagekraft verschiedener Testsysteme gibt (s. auch den Vortrag Prof. Jilg): Während ein ELISA alle IgG-Antikörper erfasst, die mit dem Mumpsvirus reagieren, erfasst ein Plättchenneutralisationstest (PNT) nur die neutralisierenden Antikörper.

Aufgrund dessen sind drei Konstellationen möglich: Mumps-naive Patienten, die weder genug IgG insgesamt noch genug neutralisierende IgG haben, geschützte Patienten, bei denen genügend neutralisierende Antikörper sowohl gegen das Impfvirus als auch gegen den Wildtyp vorhanden sind, und geimpfte Personen mit Durchbrüchen, bei denen zwar genügend neutralisierende Ak gegen das Impfvirus, nicht jedoch gegen den Wildtyp vorhanden sind (Abb. 1).

Abb. 1: Mögliche Ergebnisse von ELISA und PNT

Quelle: Mankertz, Robert Koch-Institut, NRZ MMR

In einer Gruppe von Personen, die nicht MMR-geimpft, aber als Kinder an Mumps erkrankt waren, fanden sich 15% ohne neutralisierende Ak gegen das Impfvirus und 20% gegen das Wildvirus. „Dabei konnten zwei Patienten den gleichen IgG-Wert im ELISA haben, der eine hatte aber genügend neutralisierende Ak, der andere nicht“, ergänzte die Expertin.

In einer geimpften Gruppe hatten 21% keine neutralisierenden Antikörper gegen das Impfvirus, 33% gegen das Wildvirus.

 

Fazit Neutralisation:

  • IgG-Titer (ELISA) und Titer neutralisierender Antikörper (PNT) korrelieren nicht gut.

  • IgG bindet an HN (Hüllprotein) und ergibt einen positiven ELISA-Befund, aber es ist nicht neutralisierend (negatives PNT-Ergebnis).

  • Umgekehrt können Seren hohe PNT-Titer bei niedrigen IgG-Werten zeigen.

  • Natürlich Immune neutralisieren Wildvirus und Impfvirus ähnlich effizient.

  • Geimpfte neutralisieren das Impfvirus besser als das aktuell zirkulierende Wildvirus (Serotyp G).

 

Es gibt mehrere Faktoren, welche die Reinfektion von gegen Mumps geimpften Personen mit dem Mumpsvirus Serotyp G beeinflussen könnten: Die Zeit seit der Impfung („waning immunity“), die Anzahl der Impfdosen und die Evolution des Wildtypvirus.

„Was die Anzahl der Impfdosen angeht, so konnten wir zeigen, dass sie zwar die Neutralisationskapazität gegen das Impfvirus, nicht aber gegen das Wildvirus vom Serotyp G steigert“, fuhr Mankertz fort. Auch die Zeit seit der letzten Impfung scheint hier keine große Rolle zu spielen. „Vielmehr scheint es so zu sein, dass beim aktuellen Mumpsvirus Serotyp G ein Verlust von neutralisierenden Epitopen stattgefunden hat oder weiter stattfindet“, so Mankertz.

 

Fazit gesamt:

 

  • Mumpsfälle/-ausbrüche betreffen überwiegend Menschen zwischen 15 und 35 Jahren; viele davon sind geimpft.

  • Die serologische Diagnostik bei Seropositiven ist nicht zuverlässig, besser ist eine Kombination mit der PCR; von einer hohen Untererfassung ist bislang auszugehen.

  • Positive IgG-Antikörper (ELISA) sind nicht gleichbedeutend mit Schutz gegen Mumpsvirus Serotyp G (MuV G); die Wahrscheinlichkeit für einen Schutz ist aber höher.

  • Der Schutz gegen MuV G scheint durch wiederholte Impfung nicht verbessert zu werden.

  • Ein Verlust von neutralisierenden Epitopen bei MuV G ist denkbar.

 

           Daraus ergibt sich folgende Arbeitshypothese:

 

  • Der Schutz nach zwei Mumpsimpfungen ist nicht optimal, dazu tragen vermutlich mehrere Faktoren bei.

  • Die Immunantwort gegen die Mumpsvakzine ist im Vergleich zu Masern und Röteln weniger effektiv.

  • Möglicherweise ist es zu Epitopveränderungen des Virus gekommen.

  • Die Rolle von Waning immunity ist unklar.

  • Die derzeitige Mumps-Impfung ist aber dennoch der beste Schutz gegen Mumps, den wir haben, und sollte unbedingt in Anspruch genommen werden!!!

  • Die Immunitätsfeststellung sollte vorrangig über die Kontrolle des Impfpasses, nicht über eine Titerbestimmung, erfolgen.

 

Dr. med. Norbert Hasenöhrl

 

Quelle: „Mumps – eine vergessene Erkrankung?“, Vortrag von Prof.in Dr.in Annette Mankertz, Nationale Referenzzentrale für MMR, Robert-Koch-Institut, Berlin, im Rahmen der Veranstaltung „Prevent – Protect – Vaccinate“ der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie (ÖgVak) im Rahmen der European Vaccination Week, 25. April 2018, Wien

Eine Nachlese zur gesamten Vaccination Week 2018 finden Sie hier.

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