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Masern und kein Ende

Prevent – Protect – Vaccinate 

 

Masern und kein Ende

Univ.-Prof.in Dr.in Heidemarie Holzmann, Zentrum für Virologie,

Medizinische Universität Wien

 

„Masern sind ein gutes Beispiel für eine gefährliche Infektionskrankheit, die eradiziert werden könnte, wenn die Durchimpfungsraten hoch genug wären“, so Univ.-Prof.in Dr.in Ursula Wiedermann-Schmidt, Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin, in ihrer Einleitung. „Besonders besorgniserregend ist es, dass auch ungeimpfte MitarbeiterInnen des Gesundheitssystems von Maserninfektionen betroffen sind. Das ist inakzeptabel“, so Wiedermann-Schmidt.

 

Große Probleme in Europa

„Masern gehören zu den ansteckendsten Krankheiten, die wir kennen. Fast jeder, der sich ansteckt, wird auch krank“, erläuterte Univ.-Prof.in Dr.in Heidemarie Holzmann, Zentrum für Virologie, Medizinische Universität Wien. Betrachtet man die Basisreproduktionszahl (R0) – also die durchschnittliche Zahl von nicht-immunen Personen, die ein Infizierter ansteckt –, so ist sie mit 18 für Masern besonders hoch. Zum Vergleich: bei der Influenza beträgt diese Zahl 1,4 bis 4, für Ebola 2. Um eine rasche Verbreitung des Masernvirus zu verhindern und einen Gemeinschaftsschutz für jene zu erzeugen, die nicht geimpft werden können, ist auf Grund dieser hohen Ansteckungsrate eine Durchimpfungsrate von 95% erforderlich. „Obwohl sich alle europäischen Länder zur Masernelimination verpflichtet haben, ist in Europa, im Gegensatz zum amerikanischen Kontinent, noch immer kein Ende dieses Problems in Sicht“, fuhr Holzmann fort. So traten 2017 in Europa mit 14.600 Fälle mehr als dreimal so viele Fälle auf im Vergleich zu den beiden Vorjahren, und auch heuer wurden mit Stand 18. Mai bereits über 6.000 Fälle gemeldet, davon 2.712 in Rumänien, 2.173 in Frankreich, 1.948 in Griechenland und 805 in Italien. Aktuell gibt es einen Ausbruch in Großbritannien mit 440 bestätigten Masernfällen. 2017 sind in Europa 37 Menschen, heuer bereits 22 Menschen an dieser durch Impfung so leicht vermeidbaren Infektion gestorben.

 

Die Situation in Österreich

Auch Österreich hat weiterhin erhebliche Probleme mit Maserninfektionen. Abbildung 1 zeigt die Raten der bestätigten Masernfälle von 2003 bis 2017.

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Abb. 1: Masernfälle in Österreich

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​In den Jahren 2008 und 2015 gab es größere Masernausbrüche in Österreich. 2015 lag die Maserninzidenz in Österreich bei 35,8/Million Einwohner. Auch letztes Jahr lag sie über 10. Gefordert wird eine Inzidenz unter 1/Million Einwohner. Von den 95 bestätigten Masernfällen waren 75 Patienten ungeimpft, bei 11 war der Impfstatus unklar; 3 hatten eine Dosis und nur 6 zwei Dosen der MMR-Impfung erhalten. Abbildung 2 zeigt die Altersverteilung und den Impfstatus.

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Abb. 2: Altersverteilung und Impfstatus

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Hier zeigt sich besonders die Gefährdung von Kindern unter fünf Jahren, mit einem erschreckend hohen Anteil der unter Einjährigen. Diese Kinder stellen genau jene Risikogruppe dar, die es durch Gemeinschaftsschutz (Herdenimmunität) zu schützen gilt, da sie das höchste Risiko hat, in der Folge eine tödlich verlaufende SSPE (Subakut sklerosierende Panenzephalitis) zu entwickeln. Die größte von Masern betroffene Gruppe sind die jungen Erwachsenen. „Noch schlimmer ist das Problem der Masernfälle unter den Health-Care Workern, kurz HCW“, so Holzmann. „2017 traten 13 Masernfälle bei HCW auf, weitere sieben hatten die Masern nosokomial erworben. Das waren 21% aller Masernfälle in diesem Jahr! Diese hohe Erkrankungszahl im Gesundheitspersonal ist inakzeptabel“, betonte die Expertin. Die Beschreibung eines Masernausbruchs in einem steirischen Krankenhaus 2015 [34] zeigt die Problematik. Abbildung 3 gibt einen Überblick. Die Ziffern in Klammer beziehen sich auf die in der Abbildung schematisch dargestellten Personen.

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Abb. 3: Masernausbruch in der Steiermark

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Der erste serologisch gesicherte, ungeimpfte Patient, der Indexpatient (1), hatte sich vermutlich bei Reisenden aus Berlin angesteckt und wurde dreimal in der Kinderambulanz der MedUni Graz gesehen. In zwei dieser drei Fälle hielt er sich im allgemeinen Warteraum auf (zu diesem Zeitpunkt waren die Masern noch nicht diagnostiziert worden) und dadurch wurden 43 Personen exponiert, darunter sieben Säuglinge. Sechs dieser Säuglinge mussten stationär aufgenommen werden und erhielten intravenöse Immunglobuline (IVIG). Beim siebenten Säugling war die Exposition schon länger als sieben Tage her und die Gabe nicht mehr möglich.

 

Insgesamt steckte der Indexpatient höchstwahrscheinlich drei weitere Patienten an: eine ungeimpfte Krankenschwesterschülerin (2), einen Zivildiener (3) und ein zweijähriges Kind (4). Die Kinderkrankenschwesterschülerin arbeitete bis einen Tag vor Ausbruch des Masernexanthems (Masern serologisch gesichert) in der Ambulanz der Klinik. Unter der Annahme, dass sie vier Tage vor Beginn des Masernexanthems infektiös gewesen war, waren dadurch potenziell 154 Patienten (davon 35 Säuglinge) gegenüber dem Masernvirus exponiert worden. Insgesamt erkrankte nach Rücksprache mit allen Exponierten glücklicherweise nur eine dieser 154 Personen klinisch an Masern. Dieswar ein achtmonatiger Säugling (5), zu dem die Schwesterschülerin am  Vortag ihres Erkrankungsbeginnes Kontakt hatte. Der Zivildiener (3) hatte nur eine MMR-Impfung erhalten und zeigte einen verspäteten Beginn sowie einen milden Verlauf der Masernerkrankung. Das zweijährige Kind (4) wurde einige Tage später erneut vorstellig, jedoch vergaß die Mutter – trotz stattgefundener Aufklärung durch das Gesundheitsamt – den Masernverdacht mitzuteilen. Das Kind war schwarzafrikanischer Abstammung und ein bei dieser Vorstellung durchgeführter Streptokokkenschnelltest fiel positiv aus. Das Masernexanthem wurde deswegen irrtümlicherweise als Scharlach interpretiert.


Dieses Kind steckte höchstwahrscheinlich drei weitere Kinder an. Ein sechsjähriges Kind (6) nach Kontakt im Warteraum, das Geschwister (7) von Patient (4) und ein Nachbarskind (8). Das Geschwister (7) steckte infolge höchstwahrscheinlich ein siebenjähriges Kind (9) an, das dieselbe Schulklasse besuchte. Das sechsjährige Kind, das in der Ambulanz infiziert worden war (6), steckte höchstwahrscheinlich ein weiteres Kind (11) an, das in derselben Straße wohnte.

 

Dieses wurde wegen Fiebers im Prodromalstadium der Masern beim niedergelassenen Kinderfacharzt vorstellig und wartete eine Stunde in dessen Warteraum. Dort hatte es Kontakt mit drei Säuglingen, die in weiterer Folge stationär aufgenommen wurden und prophylaktisch IVIG erhielten.

 

Patient 11 steckte höchstwahrscheinlich drei Klassenkameraden an (12), (13), (14). Bei (13) trat eine Otitis media als Komplikation der Masernerkrankung auf. Patient 14 wiederum steckte höchstwahrscheinlich sein Geschwister (15) an.

 

Diese ausführliche, dem publizierten Bericht entnommene Beschreibung soll deutlich machen, wie extrem mühsam und aufwändig es für die zuständigen Stellen ist, sämtliche Kontaktpersonen zu eruieren, aufzuklären und ggf. nachzuimpfen und/oder mit IVIG zu versorgen, um einen Masernausbruch unter Kontrolle zu halten. „Glücklicherweise gibt es in der Steiermark ein Impfregister, was diese Arbeit etwas erleichtert hat“, bemerkte Holzmann dazu.

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Fazit:

  • Masern stellen in Europa weiterhin eine tödliche Gefahr dar!

  • Masern sind leicht vermeidbar durch hochwirksame und sichere Impfungen

  • Das Masernvirus kann durch hohe Durchimpfungsraten eliminiert werden

  • Es gibt große Impflücken bei den jungen Erwachsenen, auch bei HCW!

  • HCW

    • haben ein erhöhtes Risiko für Exposition

    • haben eine besondere Verantwortung, da sie das Virus auf vulnerable Gruppen übertragen können

Dr. med. Norbert Hasenöhrl


Quelle: Vortrag von Univ.-Prof.in Dr.in Heidemarie Holzmann, im Rahmen der Veranstaltung „Prevent – Protect – Vaccinate“ der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie (ÖgVak) zur „European Vaccination Week“, 25. April 2018, Wien

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Eine Nachlese zur gesamten Vaccination Week 2018 finden Sie hier.

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