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Adjuvanzien – Aluminium und Alternativen

Prevent – Protect – Vaccinate 

 

Adjuvanzien – Aluminium und Alternativen

Dr. Günther Staffler, Chief Technology Officer der AFFiRiS AG

 

„Per definitionem ist ein Adjuvans eine Substanz, welche die spezifische Immunantwort auf ein gleichzeitig verabreichtes Antigen verstärkt“, so Dr. Günther Staffler, Chief Technology Officer der AFFiRiS AG. Nach Verabreichung eines Impfstoffs muss zunächst das angeborene Immunsystem – Makrophagen, dendritische Zellen – stimuliert werden. Antigenpräsentierende dendritische Zellen wandern vom Ort der Immunisierung in die regionalen Lymphknoten ein, wo sie CD4+-T-Helferzellen aktivieren und dadurch die Kaskade der Antwort des spezifischen Immunsystems in Gang setzen. Abbildung 1 stellt diese komplexen Vorgänge schematisch dar.

Abb. 1: Schematische Darstellung immunologischer Vorgänge bei Impfung

„Die Phase dieses Vorgangs, in der Adjuvanzien eine Rolle spielen, ist die anfängliche Aktivierung des angeborenen Immunsystems“, so Staffler. „In dieser Phase entscheidet sich auch bereits, in welche Richtung sich die folgende Immunantwort entwickelt – ob es vorwiegend eine zelluläre oder eine vorwiegend durch B-Zellen dominierte Immunantwort wird.“

 

Adjuvanzien verstärken die Immunantwort auf zahlreichen Ebenen: das angeborene Immunsystem wird stimuliert, dadurch die Differenzierung zu Effektor-T-Zellen gefördert und die Antikörpertiter werden erhöht. Auch die Dauer der Immunantwort kann durch Adjuvanzien verlängert werden. „Ein wichtiges Ziel der Adjuvanzienentwicklung besteht darin, dass auch bei Personen, die aus irgendwelchen Gründen immunkompromittiert sind, bzw. mit Impfstoffen, die nicht ausreichend immunogen sind, eine ausreichende Immunantwort erreicht wird“, sagte Staffler.

Tabelle 1 fasst zusammen, was Adjuvanzien können bzw. können sollten.

Wo sind Adjuvanzien nötig? Nicht alle Impfungen brauchen Adjuvanzien. Lebendimpfungen sowie auch Impfungen, die ganze, abgetötete Erreger enthalten, benötigen in der Regel kein Adjuvans, da sie gute zelluläre und humorale Immunantworten und ein gutes immunologisches Gedächtnis induzieren. Anders ist dies bei Vakzinen, die hochgereinigte Proteine oder virusartige Partikel enthalten oder bei Polysaccharid-Vakzinen. Diese Typen von Vakzinen brauchen in aller Regel ein Adjuvans [27]. Dies trifft, unter den moderneren
Impfstoffen, z.B. für die Impfungen gegen Meningokokken C (Konjugatimpfstoff), Pneumokokken (Konjugatimpfstoff), Influenza (Totimpfstoff), Meningokokken A, C, W135, Y (Konjugatimpfstoff) oder HPV zu
[28].

Aluminium – alt, aber gut

Aluminium (Alum) als Adjuvans wurde bereits 1920, eher zufällig, entdeckt. „Aluminium ist, das muss man klar sagen, kein schlechtes Adjuvans“, betonte Staffler, „es ist nur für viele Impfstoffe heute nicht gut genug.“ Dies ist wohl auch der Grund, warum es fast 80 Jahre gedauert hat, bevor neue Adjuvanzien auf den Markt kamen. 1997 wurde MF59 in Europa in einer Grippeimpfung zugelassen, 2008 Monophosphoryl-Lipid A (MPL), das zusammen mit Alum formuliert als AS04 in einer HPV-Vakzine auf den Markt kam. AS03, das mehrere Komponenten enthält, kam 2009 in einer Vakzine gegen das A/H1N1-Influenzavirus in den Handel. „Alum ist bis heute sicher das meistverwendete Adjuvans in zugelassenen Impfungen und zeigt ein ausgezeichnetes Sicherheitsprofil. Allerdings ist der genaue Wirkmechanismus von Alum als Adjuvans bis heute nicht geklärt“, schränkte der Experte ein. Bekannt ist, dass Alum eine Th2-Immunantwort auslöst. Nach Injektion bildet sich ein Antigendepot an der Applikationsstelle, aus dem dann das Antigen sehr langsam freigesetzt wird. Alum aktiviert den NLRP3-Inflammasom-Komplex und steigert die Sekretion von Interleukin (IL) 1b, IL-18 und IL-33. „Unter den Antikörpertypen, deren Expression Aluminium induziert, ist IgG1 bei der Maus quantitativ der wichtigste – das bedeutet, dass es sich um eine reine Th2-Antwort handelt“, erklärte der Immunologe. Einer der Gründe, warum Alum sich als Adjuvans so lang gehalten hat, besteht in der Tatsache, dass es im Vergleich zu anderen, neueren Adjuvanzien relativ wenig Nebenwirkungen aufweist, wie auch in Studien nachgewiesen wurde [29]. „Unter den neueren Adjuvanzien sind AS01 sowie AS04 wohl die modernsten, da sie einen Agonisten des Toll-Like-Rezeptors 4 (TLR4) enthalten und ihre Wirkung somit immunologisch klar charakterisiert werden kann“, fuhr Staffler fort.

 

Adjuvanzien im Vergleich
An der oben bereits zitierten Studie
[29] nahmen 712 junge, gegen das Hepatitis-B-Virus (HBV) naive Erwachsene teil, die in fünf Gruppen randomisiert wurden. „Dazu muss man wissen, dass das hier verwendete HBs-Antigen per se nicht sehr immunogen ist“, ergänzte Staffler. Die fünf Gruppen erhielten Vakzinen gegen HBs-Ag, die mit unterschiedlichen
Adjuvanzien formuliert waren: AS01B, AS01E, AS03A, AS04 und Alum. Benützt wurde ein (suboptimales) Impfschema mit Vakzinierungen an den Tagen 0 und 30. Eine erste Evaluierung fand am Tag 60 statt. Es zeigte sich, dass beide AS01-Formulierungen die stärkste Immunität induzierten, gefolgt von AS03A, während AS04 bei den meisten Parametern nicht viel besser abschnitt als Alu, das insgesamt die schwächste Immunität
induzierte. Vor allem die Responderraten für CD4+-Zellantworten waren in den AS04- und Alum-Gruppen niedrig. Während die Raten anTestpersonen, die sowohl bezüglich CD4+-Zellen als auch bezüglich Antikörpern als Responder zu werten warten, in der Alum- und der AS04-Gruppe nur um die 30% lagen, erreichten sie mit den anderen Adjuvanzien zwischen 70 und 85%. Dafür sind die Nebenwirkungsraten unter den neuen Adjuvanzien entsprechend höher. Eine Antigenspezifische CD8+-Zellantwort fand sich in keiner der getesteten Gruppen
[29]. In einer Studie mit fast 44.000 Teilnehmern wurde eine trivalente
Influenzaimpfung mit und ohne AS03 getestet. Dabei zeigte sich eine günstige Wirkung vor allem auf den Schutz gegen das A/H3N2- Virus
[30]. „Die große Zahl an Teilnehmern dieser Studie weist schon darauf hin, dass es nicht einfach ist, eine neue Vakzine mit neuen Adjuvanzien zu entwickeln“, kommentierte Staffler.

 

Was bringt die Zukunft?

Ein Großteil der zur Zeit in Entwicklung befindlichen Adjuvanzien hat Toll-Like-Rezeptoren als Targets. Daneben gibt es auch andere Wirkprinzipien, wie z.B. Liposomen, Saponine oder bakterielle Toxine. „Ein möglicher zukünftiger Weg in der Impfstoffherstellung könnte in der Entwicklung selbst-zusammensetzender Protein-Nanopartikel bestehen, in die auch Adjuvanzien, wie z.B. Flagellin, eingebracht werden können. „Die Forschung geht ganz klar in die Richtung, Adjuvanzien zu kombinieren, um so gezielt bestimmte Immunantworten zu induzieren“, erklärte Staffler.

 

Und Nebenwirkungen?

„Wenn Impfnebenwirkungen bzw. -schäden auftreten, so müssen diese schonungslos und in aller Tiefe evaluiert werden“, forderte Staffler. Ein Beispiel sind 46 Fälle von Fazialisparese, die nach intranasaler Verabreichung eines Influenza-Totimpfstoffs auftraten [31]. „Es wird heute vermutet, dass ein Enterotoxin von E. coli, das hier als Adjuvans verwendet wurde, die Fazialisparesen ausgelöst hat“, vermutete der Experte. „Hier fehlen uns zum Teil gute präklinische Modelle, um Adjuvanzien zu testen.“ Ein anderes Beispiel war das Auftreten von Narkolepsiefällen bei Jugendlichen in Nordeuropa nach einer H1N1-Impfung, die mit AS03 adjuviert war. Hier zeigte sich, dass ein durch die Aufreinigung mit angereichertes virales Nukleoprotein zur Bildung von Antikörpern geführt hatte, die bei Vorhandensein bestimmter Risikoallele mit Hypokretinproduzierenden Neuronen im Hypothalamus oder mit dem Hypokretin-Signalweg reagierten und so zur Narkolepsie führten [32, 33].

Fazit:

  • Traditionelle Vakzinen benötigen keine Adjuvanzien.

  • Aluminium als Adjuvans wird gut vertragen und wirkt gut in der Induktion einer Th2-Immunantwort.

  • MF59 und AS03 sind potente neue Adjuvanzien, die

    • die Wirksamkeit von Impfungen erhöhen

    • die Anzahl der nötigen Einzelimpfungen reduzieren

    • bei älteren Menschen eine bessere immunstimulatorische Wirkung induzieren

  • Viele neue Adjuvanzien (auch in Kombinationen) sind in Entwicklung. Die Ziele sind:

    • Modulation der Immunantwort

    • Überwindung der Immunseneszenz

    • Impfung gegen intrazelluläre Pathogene, Malignome

  • Herausforderungen bei der Adjuvanzien-Entwicklung:

    • Mangel an prädiktiven Tiermodellen

    • Bedarf für langdauernde und große klinische Studien, in denen

    • die Nutzen-Risiko-Relation getestet werden kann; wichtig dabei:

      • Reaktogenität (potente Adjuvanzien haben höhere Reaktogenität)

      • Immunmediierte Erkrankungen (Autoimmunität) Dr. med. Norbert Hasenöhr

 

Dr. med. Norbert Hasenhörl

Quelle: „Adjuvantien – Alternativen zu Aluminium“, Vortrag von Dr. Günther Staffler, CTO AFFiRiS AG, im Rahmen der Veranstaltung „Prevent – Protect – Vaccinate“ der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie (ÖgVak) im Rahmen der European Vaccination Week, 25. April 2018, Wien

Eine Nachlese zur gesamten Vaccination Week 2018 finden Sie hier.

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